Eine siebenbürgisch-sächsische Beerdigung

Die Sonne scheint warm und freundlich an diesem spätsommerlichen Oktobertag, und der Himmel leuchtet strahlend blau über Martinsdorf. Heute wird Martzonkel – Martin Hartmann – beerdigt. Vor zwei Tagen ist er nach langer Krankheit 84-jährig gestorben. Seither ist er in seinem Sarg in der Vorderen Stube aufgebahrt, und nach siebenbürgisch-sächsischer Tradition wurde an den beiden Abenden von der Familie, Freunden, Nachbarn und Bekannten die Totenwache bis Mitternacht gehalten.

Die Sonne scheint warm und freundlich an diesem spätsommerlichen Oktobertag, und der Himmel leuchtet strahlend blau über Martinsdorf. Heute wird Martzonkel – Martin Hartmann – beerdigt. Vor zwei Tagen ist er nach langer Krankheit 84-jährig gestorben. Seither ist er in seinem Sarg in der Vorderen Stube aufgebahrt, und nach siebenbürgisch-sächsischer Tradition wurde an den beiden Abenden von der Familie, Freunden, Nachbarn und Bekannten die Totenwache bis Mitternacht gehalten. Nun stehen wir mit den anderen Trauernden im Spalier aufgestellt im Hof.
Von nah und fern sind wir angereist: aus Martinsdorf natürlich, den umliegenden Dörfern, aus Mediasch und Hermannstadt und auch aus Deutschland. Währenddessen wird der Familie im Haus der Leichnam nach altem Brauch „abverlangt“. Der Leichnam und somit auch die Verantwortung werden an den ältesten Siebenbürger Sachsen der Gemeinde und an die Sargträger übergeben – ein sinnvoller und hilfreicher Brauch, wie ich finde. Der Sarg wird in den Hof in unsere Mitte getragen. Martzonkel verlässt nun endgültig das Haus, in dem er vor fast 85 Jahren geboren wurde und in dem er bis zu seinem Tod gelebt hat – ein sehr bewegender Moment. Nach einer einfühlsamen Andacht der Pfarrerin, verlassen wir den Hof und erweisen Martzonkel die Ehre auf seinem letzten Weg zum Friedhof – oder wie man in Martinsdorf sagt: „den Lechguërten“. Wir sind nahezu 100 an der Zahl, die wir mit Grabkränzen und Blumensträußen den Trauerzug bilden. Von der Blaskapelle angeführt gehen wir die Hauptstraße entlang und biegen ab in kleine Gässchen zum Rand des Dorfes hin. Über einen grünen Pfad erreichen wir den Friedhof, wo Martzonkel in einer feierlichen Zeremonie begraben wird. An dem Platz, den er sich noch zu Lebzeiten ausgesucht hat – an einem behüteten, malerischen Fleckchen direkt hinter der Kapelle. Schließlich werden wir alle nach der Beerdigung eingeladen, noch mit der Familie bei Speis und Trank zusammen zu sein. In dem Hof haben fleißige Helferinnen und Helfer mit Tischen und Bänken aus dem Gemeindehaus eine lange, festliche Tafel gezaubert. Auch im Haus sind die Tische einladend gedeckt. Wir sitzen zusammen bei Suppe, Krautsalat und Kartoffelgulasch, die kurzfristig von der Familie und helfenden Händen aus der Dorfgemeinschaft zubereitet wurden. Pali und Hauswein werden ausgeschenkt, und die Stimmung ist trotzt der vielen Menschen familiär und irgendwie fühle ich mich geborgen. Nach Strietzel und Kaffee verabschieden sich die ersten Gäste. In Gespräche vertieft wird hier und dort schon beiläufig aufgeräumt und abgewaschen. Ich helfe ein bisschen beim Abtrocknen des Geschirrs mit, und auch hier empfinde ich ein warmes Gefühl von ganz selbstverständlichem Zusammenhalt. Schön ist das. Zu später Stunde gehe ich nach Hause und bin für die Erlebnisse dieses Tages zutiefst dankbar. Ich denke an Martzonkel, der im Sarg so friedlich und erlöst ausgesehen hat. Nun hat er seine Ruhe gefunden. Gott hab in selig.

Moni Schneider-Mild

Siebenbürgische Zeitung / 20. Dezember 2011